An der Elbe
Datum: 18. Oktober 1966
Zeitraum: 1961 - 1970
EJZ vom 19.10.1966
Sturmboote für die „Kugelbake”
Eine Stunde Nervenkrieg auf der Elbe — Ostzonale "Armada” unter Kontrolle
Gorleben. Die tagelange Machtdemonstration an der Zonengrenze der Eibe ist beendet. Die entscheidende Kraftprobe fand gestern nachmittag statt. Sie endete mit einem vollen Erfolg der beteiligten bundesdeutschen und englischen Dienststellen. Sie erzwangen den freien Weg für das Vermessungsschiff "Kugelbake", das seine Querpeilungen unbehindert durchführen konnte.
Die Bundesregierung hat damit ihren Standpunkt durchgesetzt, daß die Elbe in ihrer ganzen Breite zur Bundesrepublik gehört und den ostzonalen Grenzwächtern eindeutig demonstriert, daß sie jederzeit entschlossen ist, freie Fahrt für ihre Vermessungsschiffe zu erzwingen, falls sie wieder von ostzonalen Booten daran gehindert werden sollte.
In der Nacht zum Dienstag waren umfangreiche militärische Maßnahmen vorbereitet worden, die der vorgesehenen Aktion entsprechenden Nachdruck verleihen sollten Außer einer starken britischen Einheit mit Panzern und Panzerspähwagen und einer Einheit des Bundesgrenzschutzes mit Schützenpanzern waren drei Sturmboote und zwei Pionier-Boote nach Gorleben gebracht worden. Im Laufe des Vormittags traf der Einsatzstab ein, dem außer General i. BGS. Müller aus Bonn auch hohe britische Offiziere angehörten. Die Ruhe vor dem Sturm dauerte bis 14.28 Uhr.
Zu diesem Zeitpunkt machte die „Kugelbake“ die Leinen los, die Zollboote „Lüneburg“ und „Laase“ setzten sich in Bewegung, am Elbufer fuhren die britischen Panzerspähwagen auf und von ihren Landeplätzen erhoben sich zwei Sikorsky-Hubschrauber der Royal Air Force und der BGS-Helikopler Alouette in die Lüfte. Hunderte von Zuschauern verfolgten vom Ufer und von den Deichen aus das beginnende Schauspiel. Als die „Kugelbake“ in Begleitung ihres Peilbootes aus dem Hafen auslief, legten, wie an den Vortagen, die gegenüber postierten zehn ostzonalen Streifen- und Schnellboote ab und bildeten wieder die übliche Phalanx, die der „Kugelbake“ den Weg an das östliche Ufer abschneiden sollte. Zweimal drehte das Vermessungsschiff wieder ab. Dann wurden die Sturm- und die Pionier-Boote angefordert.
Minuten der Spannung vergingen. Inzwischen gab der britische Offizier des Frontier Service durch Megaphon den ostzonalen Grenzwächtern kund, daß die „Kugelbake“ von ihrem Recht, ihre Peilarbeit auf dem gesamten Strom auszuführen, Gebrauch machen werde und daß dieses Recht notfalls mit Gewalt durchgesetzt werde. Die Antwort aus dem ostzonalen Lautsprecher: „Die Staatsgrenze der DDR verläuft in der Mitte der Fahrrinne und ist unantastbar. Peilarbeiten müssen von den Anliegerstaaten vereinbart werden. Die bisherige Genehmigung ist der "Kugelbake“ entzogen worden. Weitere Fahrten bedeuten eine Verletzung des Hoheitsgebietes der DDR und können schwerwiegende Grenzzwischenfälle nach sich ziehen.“
Ungeachtet dessen setzte die „Kugelbake“ ihre Zick-Zack-Fahrten fort, während die Sturm-, Pionier- und Zollboote die ostzonale Armada in Schach hielten, so daß sie ihre Verfolgungsfahrt aufgab. Die „Kugelbake“ hatte freie Fahrt und konnte völlig unbehelligt und ohne Begleitung ostzonaler Boote ihre Arbeiten ausführen. Ihr Auftrag ist damit erfüllt; sie wird in Kürze nach Hamburg zurückkehren. (rz)
Autor/-in:
R.
Zacher
Herkunft:
Axel
Schmidt
Quelle:
Torsten
Schoepe
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