Lüchow - Die 150-jährige Jubelfeier der Schützengilde im Jahr 1902

Am 1. Juni 1902 feierte die Schützengilde zu Lüchow ihre Jubiläumsfeier zum 150-jährigen Bestehen mit einem großen historischen Festzug, bestehend aus 18 Abschnitten.

Eine Anzeige in der Zeitung für das Wendland vom 31. Mai erläutert das Festprogramm.

Sonnabend, den 31. Mai 1902

Abends 8 Uhr, Großer Zapfenstreich

Sonntag, den 1. Juni 1902

Morgens 6 Uhr: Reveille1
Vormittags 8-9 Uhr: Empfang der fremden Gäste auf dem Bahnhof und an den Thoren der Stadt.
Vormittags 11 Uhr: Antreten der Vereine auf dem Marktplatz, Abmarsch nach dem Bahnhof zur Aufstellung des Festzuges.

Großer historischer Festzug (durch die Stadt nach dem Schützenplatze)

  • 1. Herold mit Lüchower Stadtwappen zu Pferde
  • 2. Vier Fanfarenbläser im altdeutschen Kostüm zu Pferde
  • 3. Entstehung der Lüchower Schützengilde
  • 4. Heinrich der Löwe mit Kriegern
  • 5. Blumenwagen, begleitet von Gärtnern und Gärtnerinnen
  • 6. Wendefürst zu Pferde nebst 6 Kriegern
  • 7. Graf von Lüchow, begleitet von 4 Damen und 4 Herren zu Pferde nebst 6 Kriegern
  • 8. Festwagen mit der Burg von Lüchow, gezogen von vier Pferden, begleitet von 6 Armbrustschützen
  • 9. Gruppe der Landsknechte: 1 Fähnrich, 1 Trommler mit Landsknechttrommel, 1 Feldwebel, 1 Provoß, 6 Landsknechte mit Schwertern
  • 10. Gruppe aus dem 30jährigen Kriege (10 Personen)
  • 11. Hannoversche Kriegsgruppe aus der Schlacht von Waterloo
  • 12. Festwagen mit Enblemen der Fischerei und Schifffahrt
  • 13. Festwagen mit Gambrinius, begleitet von Brauknechten
  • 14. Germaniawagen, gezogen von 4 Pferden
  • 15. Großer altmodischer wendischer Brautzug
  • 16. Festwagen der Feuerwehr in großartiger Ausstattung
  • 17. Festwagen der Turner, voraus ein Herold zu Pferde
  • 18. Radfahrverein, Blumenkorso
Es folgt die Beschreibung des Festzuges in der "Zeitung für das Wendland" vom 3. Juni 1902 unter Verwendung der hier im Archiv verfügbaren Abbildungen, die seinerzeit alle von dem Fotografen R. Steinbacher (Salzwedel/Lüchow) angefertigt wurden. Das Datum der Originalausgabe der Zeitung lautet fälschlicherweise auf den 3. Mai. Der Setzer hat vermutlich die Ziffer 1 der vorherigen Ausgabe vom 31. Mai entfernt, aber vergessen, den Monat anzupassen.

"Nachdem der Festzug in allen Theilen geordnet war, setzte sich derselbe bald nach 12 Uhr in Bewegung. Wir wollen diesen Theil des Festes, den Glanzpunkt der Jubelfeier in allen Einzelheiten schildern.
Dem Zug voran ritt ein Herold zu Pferde, mit dem Lüchower Stadtwappen auf der Brust. Ihm folgten 4 Fanfarenbläser gleichfalls zu Pferde und in altdeutschem Kostüm; diese Gruppe bildete die Eröffnung des Zuges.

Zeitgenössischer Hinweis auf der Bildrückseite:
Herold: Polizeisergeant Prötz.


Der nächste Theil stellte die Entwicklung der Uniformen unserer Schützengilde dar. Man fand hier die alten Uniformen, wie sie noch bis vor einigen Jahren durch die Herren Schleese und Klank sen. vertreten wurden, wieder. Hierauf folgte ein Musikchor.
Die nun folgende Gruppe stellte Heinrich den Löwen mit Kriegern dar, welche aufgrund ihrer prächtigen Rüstungen einen fesselnden Anblick bot.

Zeitgenössischer Hinweis auf der Bildrückseite:
Erich Brünger als Heinrich der Löwe

Hiernach waren die Schützenvereine Arendsee und Bergen a. D. eingereiht, beide durch starke Mitgliederzahl vertreten.
Hieran reihte sich der Blumenwagen des Zuges. Durch Guirlanden und Stangen war auf demselben ein sehr hübsches Arrangement geschaffen. In der Mitte des Wagen war ein runder, reich mit Blumen geschmückter Korb aufgestellt, in dem ein junges Mädchen Platz genommen hatte, welches in seinem Engelskostüm einen reizenden Eindruck machte. Begleitet wurde der Wagen von Gärtnern und Gärtnerinnen in kleidsamen Trachten. Hieran schlossen sich die Vereine Gartow, Dannenberg und Trabuhn, und dann ein Musikchor.
Nun folgte ein Wendefürst zu Pferde mit 6 Kriegern im Gefolge, gleichfalls wieder durch die naturgetreuen, sauberen Kostüme hervortretend.
Anschließend an diese Gruppe folgte nun als zweiter Festwagen die Burg zu Lüchow in ihrer ehemaligen Gestalt. Neben dieser schritten 6 Armbrustschützen her.
Der Schützenverein Göttien und sodann eine Gruppe von Landsknechten, bestehend aus einem Fähnrich, Trommler, Feldwebel, Provoß und 6 Landsknechten bildeten die Fortsetzung des immer imposanter werdenden Festzuges. Nach einem Musikchor kamen nun die Schützenvereine Hitzacker und Lübbow, worauf eine Gruppe aus dem 30-jährigen Kriege die bunte Reihe fortsetzte. Hierauf folgte wieder ein Musikchor und diesem die Vereine Ranzau und Seerau i. L.
Ihnen schloß sich wieder ein Festwagen und zwar der Fischerwagen, an. In dem auf diesem Wagen stehenden Fischerkahn sah man Fischer und Fischerinnen in malerischer Tracht, desgleichen weitere Personen in selbiger Tracht den Wagen seitwärts begleiten.
War durch die bisherigen Gruppen das Mittelalter vertreten, so bildete die Waterloogruppe den Übergang zur neuen Zeit. Unter Vormarsch der Ulanenkapelle aus Salzwedel wurde unter den Klängen des Waterloomarsches von den Mitgliedern dieser Gruppe ein strammer Parademarsch durchgeführt, welcher die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog und den Betheiligten allgemeine Anerkennung brachte. Im weiteren Verlaufe erschienen nun die Vereine aus Reetze, Salzwedel, Satemin und eine Fahnendeputation aus Tangermünde.
Einen imposanten Anblick gewährte der nächste Festwagen. Vor einem mächtigen mit reichem Grün geschmückten Faß saß in körperlicher Fülle Gambrinus, der König des edlen Gerstensaftes, in bekanntem malerischen Kostüm. Zur Seite des Wagens schritten Brauknechte in dem dieser Zunft eigenthümlichen Tracht.
Die Schützenvereine Vasenthien, Witzeetze i. Dr. und sodann der Germania-Wagen bildeten die Fortsetzung des Festzuges. Dieser Festwagen wurde allgemein als einer der schönsten anerkannt. Auf hohen Stufen stand auf dem prachtvoll dekorierten Wagen die schmucke Germania; ihr zur linken, etwas tiefer saß eine beharnischte Kriegerin mit Speer und Schild. Beide Personen machten einen ganz besonders guten Eindruck.
Ein Stück heimatlicher Geschichte wurde in dem wendischen Brautzug verkörpert. Hier erfreute sich manches Auge an den alten, längst verschwundenen Trachten unserer Altvorderen. Die reich mit Bändern und golddurchwirkten Stickereien geschmückte Braut, der mit dem ehrwürdigen Trauanzug ausgestattete Bräutigam, die Begleiterinnen, die Begleiter, alles machte einen fesselnden Eindruck.

Zeitgenössischer Hinweis auf der Bildrückseite:
Leiter: Lehrer Mente, Rebenstorf
Vereine aus Winsen, Weitsche und hierauf der Festwagen der Feuerwehr erschien im weiteren Verlaufe des Festzuges. Hatten alle früheren Festwagen durch kunstvolle Dekoration imponirt, so trat dieser durch seine ungeheure Größe hervor. Ein mächtiges Haus aus dem Rauchwolken hervorstiegen, veranschaulichte mit den darauf stehenden Feuerwehrleuten die Thätigkeiten dieser Wehr.
Ein wahres Kunstwerk in der Dekoration stellte der Turnerwagen dar. Derselbe fand den Beifall und das Lob aller Zuschauer. In reichem Laubschmuck sah man zwischen den frischen Turnergestalten und den herrlichen Postamenten die lebensgroße Jahnbüste. Wahrlich, ein Anblick, der jedem, der sich zur Fahne mit dem Frisch, Fromm, Froh, Frei hält, ein unvergeßlicher gewesen sein wird. Die Dekoration wurde ausgeführt von dem Dekorateur Chr. Jaath, Hamburg.
Szene von der Aufstellung (Fotograf unbekannt). Laut Festprogramm steht links die Gruppe "Herold zu Pferde".
Nach den Vereinen aus Waddeweitz, Walsrode und Hannover folgte der Radfahrverein, welcher einen Blumenkorso aufführte. Das Banner des Vereins wurde auf einem prächtig dekorirten Dreirade gefahren. Die schön geschmückten Räder der Damen und ferner der von vier Herren gefahrene Baldachin brachten den Mitgliedern des Vereins allgemeine Anerkennung.
Hierauf bildeten die Mitglieder der hiesigen Schützengilde den Schluß dieses großartigen Festzuges."
Aus den Motiven von R. Steinbacher wurde auch diese Mehrbildkarte produziert.
Am nächsten Morgen, die Schatten verlaufen entsprechend, machte Carl Gerlach dieses Foto. 1907 verschickte er es als selbst produzierte Fotokarte an seinen Sohn Otto, der bei dem befreundeten Uhrmacher Bürgy im Elsass seine Ausbildung macht.

Die Spur der Hinterlassenschaft der Pferde zeigt, dass der große Festumzug 1902 nicht durch die Kirchstraße verlief.
Der Uhrmacher Carl Gerlach war in der Schützengilde aktiv, technisch interessiert und hatte die Möglichkeit mit seiner eigenen Kamera zu fotografieren und die Bilder selber zu entwickeln und zu vergrößern. Beste Voraussetzungen und Anlass, um von diesem vermutlich für Lüchow und die Gilde sehr wichtigen und aufwändigen Ereignis mehrere Fotos zu machen. Dem Stellenwert angemessen wird seinen Fotos (die nächsten 6 Motive) hier ebenfalls entsprechend Raum gegeben.
Blick auf die Lange Straße / Ecke Kirchstraße aus dem Eckfenster des Hauses Lange Straße 65. Die Vorbereitungen laufen noch. An einem der geschmückten Pfähle lehnt eine lange Leiter.

Foto: Carl Gerlach
Aufwändig geschmücktes Haus des Schützenkönige Carl Krebs am Marktplatz, Lange Straße 55

Die Tafel trägt den Spruch:

Heil unsrer Schützengilde 1752—1902.

Sei gegrüßt, du Schützengilde, die vor hundertfünfzig Jahr,
hier in Lüchow's Stadtgefilde einst erstand mit seiner Schar.
Immer mehr emporgeschwungen, hast du dich im Lauf der Zeit,
Und so ist es dir gelungen, herrlich dazustehen heut',
Mag im besten Wohlergehen fernerhin Jahr aus, Jahr ein
diese Gilde fortbestehen, grünen, blühen und gedeih'n.
Daß der Wunsch so jubeltönig, immer sich erfüllen mag,
Dieses hofft der Schützenkönig, Eu'r Carl Krebs am heut'gen Tag.
Laßt den Ruf die Luft durchschweben, Schützenbrüder fern und nah:
Unsre Gilde sie soll leben, Dreimal hoch, hurrah, hurrah!

(gefunden in der Kolumne "Vor fünfzig Jahren" im "Allgemeiner Anzeiger" vom 28.12.1940 / Seite 4)

Foto: Carl Gerlach
Der Marktplatz mit den festlich geschmückten Fassaden. Der Junge am Brunnen, Hund und Esel dürfen neben dem Fotografen als Frühaufsteher gelten, was sich auch hier an den Schatten ablesen lässt. Anfang Juni dürfte es kaum später als 6 Uhr gewesen sein.

Foto: Carl Gerlach
Eine kleinere Abteilung von Schützen biegt aus der Langen Straße kommend in die Kirchstraße ein.

Foto: Carl Gerlach
Blick aus dem Wohnzimmer des Geschäftshauses von Carl Gerlach, Lange Straße 65.
In der "Geschichte der Schützengilde zu Lüchow" aus dem Jahr 1952 steht zu diesem dort veröffentlichten Foto.

"Blick auf den Festzug der Jubelfeier 1902.
Der Zug schwenkt in die Kirchstraße ein. In der ersten Reihe: Schützenkönig Carl Krebs (Schützenkönig des Jahres 1901). Im Vordergrund links die Gebäude der ehemaligen Brauerei und Brennerei Ernst Schultz (heute Kreishaus und Kreissparkasse)"

Abgebildet ist hier allerdings nicht der Festzug, sondern eine kleine Gruppe, bei einem anderen Anlass im Verlaufe der Schützenfestwoche. Carl Gerlach hat die Kamera für mehrere Belichtungen stehen gelassen und später am selben Standort ein Motiv in anderer Marschrichtung dokumentiert. Der eigentliche Festzug ist nicht durch die Kirchstraße gezogen, sondern führte komplett durch die Lange Straße von Osten über die Jeetzelinsel nach Westen, wie die Fotos von R. Steinbacher vom Standort Marktplatz aus deutlich zeigen.

Der Schützenkönig dieses Jahres (1902) ist Wilhelm Fröhling, Gastwirt von "Fröhlings Marie" auf der Jeetzelinsel.
Teilnehmer eines Umzuges bewegen sich durch die Kirchstraße und biegen in die Lange Straße in Richtung Marktplatz ein. Wie bereits oben beschrieben, ist dieses Foto nicht beim großen Festumzug entstanden.

Foto: Carl Gerlach
Festprogramm, Schießordnung und die Festkarte des Schützen Nr. 64, W. Schulz
Auch die Lüchower Kreiszeitung brachte am Dienstag, den 3. Juni 1902 einen ausführlichen Bericht zur Jubelfeier:

"Vom prächtigsten Weiter begünstigt und unter Betheiligung einer colossalen Menschenmenge beging die Schützengilde Lüchow am gestrigen Sonntag die Feier ihres 150-jährigen Bestehens. Schon am frühen Morgen trafen aus allen Himmelsrichtungen zu Fuß und zu Wagen unsere Landleute in großen Schaaren ein, der Morgenzug und der Zug 10.15 brachte von weiterher zahllose Festtheilnehmer und der 10.38 einlaufende lange Extrazug war bis auf den letzten Platz besetzt.

In den prächtig geschmückten Straßen wogte eine unabsehbare, festlich geputzte Menschenmenge, die in der glühenden Sonnenhitze unverdrossen ausharrte. Nachdem die auswärtigen Schützenvereine im Laufe des Vormittags eingetroffen waren, marschirten die Schützen mit ihren Fahnen nach dem Bahnhof zur Aufstellung des historischen Festzuges. Die liebe Sonne schien das im Mai Versäumte im Juni wieder nachholen zu wollen, sie sendete ihre heißen Strahlen ohne Unterbrechung zur Erde und erzeugte namentlich bei den tapferen Schützenbrüdern einen Riesendurst — nach kaum einer Stunde hatte der Bahnhofswirth seine nicht geringen Vorräthe an Bier, Weißbier, Selterwasser, Brauselimonade völlig ausverkauft!

Die Aufstellung des Festzuges vollzog sich in größter Ordnung und in verhältnißmäßig kurzer Zeit. Um 3/4 1 Uhr setzte sich der lange prächtige Zug in Bewegung.

Voraus der Herold mit dem Lüchower Stadtwappen, gefolgt von vier Fanfarenbläsern in altdeutschem Kostüm, dann kam die Gruppe: Entstehung der Lüchower Schützengilde, je ein Zug Jäger und „Schwarze" mit dem Dreispitz. Der nächsten Gruppe: „Heinrich der Löwe mit seinen Begleitern" zu Pferde ging ein Musikcorps voraus, es folgten dann die Vereine Arendsee und Bergen a. D., letzterer führte Se. schützenkönigliche Majestät im Landauer mit. Einen reizenden Anblick gewährte der mit vielem Geschick decorirte Blumenwagen, begleitet von Gärtner und Gärtnerinnen, dem sich die Vereine Dannenberg und Gartow anschlossen. Der Verein Trabuhn hatte eine eigene Musikkapelle mitgebracht und war mit 43 Mitgliedern vertreten. Der nächsten Gruppe: „Wendenfürst zu Pferde nebst sechs Kriegern" folgten die Vereine Gr. Gaddau und Gollau - Lüsen. Der „Graf von Lüchow" begleitet von zwei Damen und vier Herren zu Pferde, führte den Festwagen mit der Burg von Lüchow, die, in großen Dimensionen und kunstvoll hergerichtet, von 4 Pferden gezogen und von sechs Armbrustschützen escortirt wurde. Hinter den Vereinen Hitzacker und Göttien ging die Gruppe der Landsknechte: ein Fähnrich, ein Trommler mit Landsknechtstrommel, ein Feldwaibel, ein Profoß und sechs Landsknechte mit Schwertern; der Gruppe aus dem dreißigjährigen Kriege gingen die Vereine Lübbow und Künsche voraus, der hannoverschen Kriegergruppe aus der Schlacht bei Waterloo die Vereine Ranzau und Seerau. Der nächste Festwagen versinnbildlichte die Schifffahrt und die Fischerei. Es folgten die Vereine Reetze, Satemin, der Festwagen mit Gambrinus (begleitet von Brauknechten), die Vereine Tangermünde und Vasenthien, der von 4 Pferden gezogene prächtig geschmückte Germania-Wagen und dann der wendische Brautzug, der ein höchst anziehendes Bild bot. Dem großen Feuerwehrwagen (ein Wohnhaus, auf dem Feuerwehrleute in Thätigkeit sind) gingen die Vereine Winsen und Weitsche voraus. Ein Prachtstück bildete der Turnerwagen (von Herrn Jath aus Hamburg gestellt und hergerichtet). Hinter den Vereinen Walsrode, Bodenteich, Hannover, Dömitz und Bismark stellte der Radfahrerverein Lüchow eine hübsche Gruppe. Der Magistrat der Stadt Lüchow mit dem Schützenkönige in einem Wagen und die Ehrengäste Herren Landtags-Abgeordneter Puttfarken und Reichstags-Abgeordneter Graf Bernstorff in einem zweiten Wagen bildeten mit der Schützengilde Lüchow den Schluß.

Der imposante Zug passirte in größter Ordnung und ohne jede Störung die mit einer colossalen Menschenmenge besetzten Straßen und wurde auf dem Marktplatz kinematographisch aufgenommen. Die Ordnung in den Straßen war eine musterhafte, das Publikum kam den Anordnungen in jeder Weise willig nach.

Auf dem Schützenplatz löste sich der Festzug auf und hielt hier Herr Bürgermeister Pulst die Begrüßungsrede, welche mit einem Hoch auf die Schützengilde schloß. Bei dem um 3 Uhr im Schützenhaussaale stattfindenden Festessen, an dem gegen 90 Personen theilnahmen, brachte Herr Landrath v. d. Knesebeck das begeistert aufgenommene Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König aus, worauf die Festtheilnehmer stehend die Nationalhymne sangen. Der Chef der Schützengilde, Herr Brünger begrüßte die erschienenen Ehrengäste und die zahlreichen Vereine, Herr Graf Bernstorff dankte im Namen derselben, Herr Landrath v. d. Knesebeck überreichte in seiner Eigenschaft als Nachbar der Stadt Lüchow durch den Besitz der Güter Woltersdorf und Colborn einen werthvollen großen Pokal aus Altsilber mit der Inschrift: „Der Lüchower Schützengilde zur Jubelfeier des 150jährigen Bestehens gewidmet am 1. Juni 1902 von B. v. d. Knesebeck, Königl. Landrath des Kreises Lüchow" zum dauernden Andenken an das heutige Jubelfest. Es brachten dann weiter in ernster und launiger Weise Toaste aus die Herren Herm. Schultz, Carl Krebs, Kanzleirath Falke - Lüneburg, Lehrer Mente - Rebenstorf, Bürgermeister Tietcke - Bergen u. a., so daß ein paar Stunden bei fröhlichem Mahle pfeilschnell dahinflogen.

Während auf dem neuen Schießstand nach den 4 Scheiben "Deutschland", "Wendland", "Hannover" und "Lüchow" um Geld und Ehrenpreise gestritten wurde, entwickelte sich auf dem Festplatze, auf dem abwechselnd die hiesige Stadtkapelle und die gesammte Ulanenkapelle aus Salzwedel concertirte, ein frohes Leben und Treiben. Alle Schau- und Würfelbuden waren dicht belagert, und die Schankzelte konnten zeitweise den großen Ansturm der hungrigen und namentlich durstigen Seelen nicht bewältigen.

Trotz der großen Hitze und des colossalen Menschenandranges ist das gestrige Fest erfreulicherweise ohne jede Störung und ohne Unfall verlaufen. Alles klappte vorzüglich und die Stimmung war eine fröhliche, so daß alle auswärtigen Gäste und Schützen mit dem Bewußtsein von Lüchow geschieden sind, ein glänzendes und hochbefriedigendes Jubelfest gefeiert zu haben.

Die Ausschmückung der Stadt ist eine allgemeine und hübsche, stellenweise eine hervorragende; an dem Hause des Schützenkönigs Herrn Carl Krebs verkündet ein großes Transparent folgende Worte:

Heil uns'rer Schützengilde!
1752—1902.

Sei gegrüßt, du Schützengilde,
Die vor hundertfünfzig Jahr,
Hier in Lüchow's Stadtgefilde
Einst erstand mit seiner Schaar.
Immer mehr emporgeschwungen
Hast du dich im Lauf der Zeit,
Und so ist es dir gelungen,
Herrlich dazustehen heut',
Mag im besten Wohlergehen
Fernerhin Jahr aus, Jahr ein
Diese Gilde fortbestehen,
Grünen, blühen und gedeih'n.
Daß der Wunsch so jubeltönig
Immer sich erfüllen mag,
Dieses hofft der Schützenkönig,
Eu'r Carl Krebs am heut'gen Tag.
Laßt den Ruf die Luft durchschweben,
Schützenbrüder fern und nah:
Uns're Gilde sie soll leben,
Dreimal hoch, hurrah, hurrah!

Heute findet die Jubelfeier ihre Fortsetzung in üblicher Weise."
Die Berichterstattung findet in der "Zeitung für das Wendland" am 12. Juni ihre Fortsetzung:

"— Das Jubelfest unserer Schützengllde ist dauernd vom besten Wetter begünstigt gewesen. Zwar konnten sich der Montag und Dienstag hinsichtlich der Festlichkeit nicht im entferntesten mit dem Sonntage messen, da sie den alljährlichen Schützenfesttagen völlig gleich waren; dafür aber waren diese Tage mehr für die hiesige Gilde und alle an dem Festzug beteiligten zum Feiern geeignet. Die Königswürde erwarb sich am Montag Herr Fröhling durch den besten Schuß. Der Festzug am Sonntag bildet noch immer das Tagesgespräch. Alle Blätter der Umgegend sprechen sich lobend über dieses Schauspiel aus.

Wir wollen noch erwähnen, daß der Herr Landrath v. d. Knesebeck am Sonntag im Verlaufe des Festessens dem Chef der Gilde einen silbernen, innen vergoldeten Pokal überreichte. Derselbe trägt die Widmung: "Der Lüchower Schützengilde zur Jubelfeier ihres 150-jährigen Bestehens gewidmet am 1. Juni 1902. Baron v. d. Knesebeck und Landrath des Kreises Lüchow." Bis auf die Nachfeier wäre also diese Jubelfeier, die so viele Gemüther seit Wochen in Aufregung gehalten und zu so vielen Diskussionen Anlaß gegeben hat, erledigt. Waren es auch saure Wochen und Tage für den Vorstand und die Komitees der Gilde, so haben sie doch in dem herrlich verlaufenen Fest ihren schönsten Lohn gefunden, wie auch in den zahlreichen Lobsprüchen der Gäste. Möge der Gilde, wenn nach 50 Jahren einmal das 200jährige Bestehen gefeiert werden kann, ein ebenso schöner Ehrentag erstehen, wie es der letzte Sonntag gewesen ist.

— In dem in letzter Nummer gebrachten Bericht über den Festzug ist versehentlich die Gruppe »Graf von Lüchow mit Gefolge ausgelassen. Dargestellt wurde dieselbe von 13 Personen als Grafen von Lüchow und 2 Edeldamen nebst 4 Herren zu Pferde und 6 Kriegern. Als einen Theil aus Lüchows Vergangenheit fand diese Gruppe gleichsam lebhafte Anerkennung."
1. Reveille ist der Weckruf beim Militär ↩
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