Lüchow - Großbrand im Jahr 1900

Vor dem Brand
Am Tag nach dem Brand. Siehe hierzu auch den Text am Ende des Artikels.

Großbrand in der Langen Straße am 28. August 1900

Bericht in der „Lüchower Kreiszeitung“ vom 1. September 1900, Ausgabe Nr. 103, Seite 2

„Von einem größeren Schadenfeuer heimgesucht wurde am Mittwoch gegen Abend unsere Stadt. Aus bisher noch unbekannter Ursache explodierte gegen 6 1/2 Uhr mit einem lauten Knall im Hintergebäude des Herrn Färbereibesitzers Hänel, Langestraße, eine größere Quantität Benzin, das Herr Hänel zum Reinigen von Kleidungsstücken brauchte. Der durch die Explosion hervorgerufene Luftdruck war so heftig, daß das große Schaufenster des nach der Langenstraße zu gelegenen Ladens auf die Straße geworfen wurde. Im Nu stand das ganze Hintergebäude in Flammen, eine breite dichte Rauchsäule stieg fast kerzengerade in die Höhe und alarmirte die Bewohner der Stadt und der umliegenden Ortschaften. Mit schweren, wenn auch nicht lebensgefährlichen Brandwunden bedeckt, konnte Herr Hänel sich aus dem brennenden Gebäude flüchten.

Zahlreiche hilfreiche Hände begannen sofort mit der Ausräumung der Läden und Wohnungen der Herren Hänel und Kürschnermeister Röbcke und es ist auch gelungen, hier vieles zu retten. Aus dem Röbcke´schen Laden, Lager und der Wohnung konnte der weit aus größte Theil des Inhalts herausgeschafft werden, während im Hänel’schen Laden fast ein Drittel der Wollwaaren und Stoffe, sowie fast sämmtliche Kleiduogsstücke verbrannt sind. Binnen kurzer Zeit hatte das Feuer auch das Vorderhaus ergriffen und sich auch namentlich dem benachbarten Gastwirth Schulz´schen Hause und der daranstoßenden Scheune des Herrn Brauereibesitzers Ernst Schulz mitgetheilt. Auch aus den Räumen des Herrn Gaftwirths Herm. Schulz konnten etwa zwei Drittel des Inventars in Sicherheit gebracht werden. Da das Feuer jedoch immer weiter an Ausdehnung gewann, wurde auch das Haus des Herrn Uhrmachers Franz Schröder, sowie ein Theil des Sattlermeister Drebold´schen Hauses geräumt. Die Freiwillige Feuerwehr und die städtisches Spritzen waren sofort zur Stelle und von den umliegenden Ortschaften kamen Spritzen und zahlreiche Hilfsmannschaften herbeigeeilt.

Der Freiwilligen Feuerwehr, die auf dem Schröder´schen Hause Posto gefaßt hatte, gelang es, dem Feuer hier Einhalt zu thun, während auf dem Hofe der große Brünger´schen, bis unter das Dach mit Futtermitteln und Erntevorräthen gefüllte Speicher in allergrößter Gefahr stand; wiederholt hatte das Feuer den Dachfirst ergriffen, konnte aber immer noch rechtzeitig von der Brünger´schen Spritze, die den Giebel beständig unter Wasser hielt, und der Spritze der freiwilligen Feuerwehr Woltersdorf gelöscht werden. Neben der Brünger´schen Spritze ist es namentlich dem schnellen und energischen Eingreifen der jungen Feuerwehr Woltersdorf zu danken, daß der Brüngersche Speicher vom Feuer verschont blieb, wodurch größeres Unglück verhütet worden ist. Es wäre im anderen Falle unzweifelhaft das ganze Häuserviertel bis zur Rosenstraße vernichtet worden. Ein Bravo der Woltersdorfer Feuerwehr und ihrem jungen Führer! Auch die Lüchower Freiwillige Feuerwehr, die Wustrower Wehr, sowie die hiesigen städtischen und die auswärtigen Spritzen haben ihre volle Schuldigkeit gethan, wofür ihnen herzlichst gedankt sein soll.

Wassermangel trat glücklicherweise, trotz des niedrigen Wasserstandes der Jeetzel, deren Schleusen sofort zugesetzt wurden, nicht ein; sehr zu statten kam die Verzögerung des Umbaues der Drawehnerbrücke, denn wäre die Jeetzel oberhalb des Senator Wentz´schen Hauses bereits abgedämmt gewesen, hätte man wohl größere Schwierigkeiten mit der Heranschaffung des Wassers gehabt.

Von auswärtigen Spritzen war als erste diejenige der Gemeinden Gollau-Lüsen zur Stelle, es trafen dann der Reihenfolge nach ein: Gemeinde Dolgow, Freiwillige Feuerwehr Woltersdorf, Gemeinden Woltersdorf, Bösel, Klennow, Küsten, Göttien, Grabow, Freiwillige Feuerwehr Wustrow, Gemeinden Lensian, Rebenstorf, Dangenstorf. Die Böseler Spritze fuhr auf den Hof des Herrn Kaufmanns L. Wentz, eine lange Reihe Wasserträger, darunter auch Frauen, füllten stundenlang von der Jeetzel her die Spritze, deren Schlauch durch das Haus gelegt war. Zwei Achtel Bier und zahlreiche Butterbrote, welche Herr Wentz verabreichen ließ, belohnten die fleißigen Arbeiter, die an der Spritze pumpten und die Wasserträger. Bis tief in die Nacht hinein waren die Spritzen auf der Brandstelle, die heute einem wüsten Trümmerhaufen gleicht, mit dem Löschen des Feuers thätig.

Ganz besonders geschädigt ist Herr Gastwirth Schulz, der in seinem Hause eine neue Kegelbahn gebaut hatte, an der gerade am Mittwoch beim Ausbruch des Brandes die letzten Arbeiten gemacht wurden und die noch nicht versichert war. Auch dem Schulz´schen Dienstmädchen ist fast sämmtliches (nicht versichertes) Eigenthum verbrannt und Herrn Capellmeister Müller, der bei Herrn Schulz wohnte, ist außer verschiedenen Kleidungsstücken, Papieren etc. eine Bratsche vom Feuer vernichtet. Versichert waren sämmtliche übrigen Geschädigten. Das Hänel´sche Bürgerwesen ist bis auf den Grund niedergebrannt, vom Schulz´schen Wesen standen nur noch einige Umfassungsmauern, während der Schröder´sche Dachstuhl stark gelitten hat und die 2. Etage namentlich durch colossale Wassermengen arg beschädigt ist. Der Feuerschein war sehr weit sichtbar. In Dannenberg übte die Feuerwehr gerade mit ihrer neuen Spritze, als der Brand ausbrach. Die Wehr rückte sofort aus, kehrte aber bei Langenhorst um.

Verbrannt sind u.a. das Vereinsbanner, sowie fast sämmtliche Siegerpreise, welche der Radfahrerverein Lüchow im Laufe der Jahre errungen hat und die im Vereinslokole in der Schulz´schen Gastwirthschaft aufbewahrt wurden. Da diese Gegenstände und die Fahne versichert waren, erleidet der Radfahrerverein keinen Schaden. Während des ganzen gestrigen Tages wurde fleißig an der Niederlegung des Schulz´schen Hauses gearbeitet. Um 6 1/2 Uhr Abends ließ der stellvertretende Branddirector Herr Senator Kreisel, der die Löscharbeiten seit Mittwoch Abend fast ununterbrochen leitete, die freiwillige Feuerwehr nochmals alarmiren, da die Gefahr nicht ausgeschlossen war, daß das Schröder´sche Haus doch noch Feuer fing.

— Schlecht belohnt ist die Woltersdorfer Feuerwehr für ihr anerkennenswerthes und muthiges Eingreifen bei dem vorgestrigen Brande. Dem Hauptmann der Wehr, Herrn Carl Schulz, wurde von einem hiesigen Handwerker der Helm vom Kopfe gerissen und ins Feuer geworfen, woselbst die Kopfbedeckung sofort verbrannte. Neben einem fühlbaren Denkzettel, der dem Manne an Ort und Stelle für seine Unverschämtheit von unbekannten Fäusten verabreicht worden ist, dürfte diese Angelegenheit für den Ersteren noch ein gerichtliches Nachspiel haben.

— Es sind am Mittwoch übrigens mannigfache Mißstände in unserem städtischen Feuerlöschwesen zu Tage getreten, die einer Abänderung bedürfen. Wie wir erfahren, wird das Feuerlöschwesen demnächst der erwünschten Umgestaltung unterzogen.

— Wie bei einem Brande in der Aufregung manchmal gerettet wird, konnte man am Mittwoch Abend beobachten. Man hatte mit Mühe einen großen Korb voll Porzellan- und Glassachen gepackt, und durch das Fenster der 2. Etage gehoben und dann — fallen lassen. Ein Anderer warf aus dem Fenster eine — Petroleumlampe.

— Allgemeines Mitleid erregte ein über einem Fenster am Schulz´schen Hause befindliches, mit drei noch nicht ganz flüggen Jungen besetztes Schwalbennest. Aengstlich flatterten gestern Morgen die beiden Alten um das Nest, brachten ab und zu den Jungen Nahrung, bis die kleinen Thiere schließlich in dem aus den Trümmern aufsteigendem Qualm erstickten.

— Mit dem Umbau der Drawehnerbrücke wird nunmehr bestimmt am nächsten Montag begonnen werden. Es wird zuerst die Jeetzel am Senator Wentz´schen Hause abgedämmt. Das vorgestrige Feuer hat die Baukommission dazu veranlaßt, die Abdämmung des Wassers in der Weise vornehmen zu lassen, daß der Damm mit einer Schleuse versehen wird, die jederzeit sofort geöffnet werden kann, wodurch der trocken gelegte Theil des Flußbettes in ganz kurzer Zeit wieder mit Wasser gefüllt wird.“

Am 4. September berichtet die Zeitung zu dem Brand:

"Aus dem Trümmerhaufen auf der Brandstätte an der Langenstraße steigen noch heute leichte Rauchwolken hervor und bekunden, daß unter dem Chaos von Steinen und Balken die Gluth noch glimmt. Am Sonnabend Abend schlugen bei dem frischen Winde wieder helle Flammen hervor, sodaß die Spritze in Thätigkeit gesetzt werden mußte. Da aber auch für die Nacht eine Gefahr des Wiederanfachens des Feuers nicht ausgeschlossen erschien, ließ Herr Brauereibesitzer Brünger noch abends 10 1/2 Uhr auf Ersuchen des Magistrats seinen Dampfkessel zur Wasserbeförderung nach der Brandstelle anheizen und bis gegen 1 Uhr in Thätigkeit.

und weiter...

Ansichtpostkarten von der Brandstelle hat Herr Buchhändler Bergmann angefertigt. Die Karten, welche sehr sauber und deutlich ausgeführt sind, dürften namentlich Lüchowern, welche auswärts wohnen, ein willkommenes Bild von der Brandkatastrophe sein."
Archiv-ID: 4400953
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